- maurischer Stil
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westislamische Kunstform im Maghreb, Nordafrika, und auf der Iberischen Halbinsel. Sie wurzelt in der Kunst der spanischen Omaijaden (711 ff.) und späterer Teilreiche (Emirat und Kalifat von Córdoba, 756 beziehungsweise 929-1031), die im weiteren Sinn auch zum maurischen Stil gezählt wird, und assimilierte zum Teil ostislamische Formen und Techniken. Im 11.-15. Jahrhundert wurde der maurische Stil von den maghrebinischen Berberdynastien der Siriden, Almoraviden, Almohaden, Meriniden und den spanisch-arabischen Nasriden getragen. Über den Mudéjarstil strahlte er bis in den europäischen Barock und nach Lateinamerika aus. Zu seinen Wesenszügen gehören das Ineinanderfließen von Bau- und Dekorformen und die dadurch bewirkte Entmaterialisierung, die mehrfache Lesbarkeit aller Formen, die Kombination von Monumentalität mit feinster Detailgestaltung und mathematisierender Abstrahierung mit stets sichtbarer Individualform.Bestimmende Einzelelemente der Baukunst sind v. a. die oft reich verzierten typischen maurischen Bogenformen in Kuppeln, Wölbungen und Nischen, die achtelementigen Mukarnas oder die siebenelementige Stalaktittrompe, Zwillingsfenster (Ajimez), überkragende Schnitzvordächer (Aleros) zum Schutz reich geschmückter Stuckfassaden und Portale, ferner v. a. in Innenräumen kassettierte Holzdecken (Artesonado) und, v. a. seit dem 14. Jahrhundert, das geometrische Fayencemosaik in den Sockelzonen, während die im oberen Teil befindlichen Wandzonen (Galerien, Treppen, geschlossene und durchbrochene Wände und Bögen) und Decken von Stuck bestimmt werden.Im Moscheebau wurde der Typ der Hofmoschee beibehalten (Fès, Karawijin-Moschee, 1135 ff.; Marrakesch, Kutubija, 1146-62 ff.), dabei dominiert die vielschiffige Hallenmoschee in T-Konzeption: Querschiff vor der Kiblawand, Betonung des Mittelschiffs durch größere Breite (und Höhe); üblich wird die Kuppel über dem Schnittpunkt vor dem Mihrab. Zu jeder Moschee gehört ein hohes, reich gegliedertes quadratisches Minarett. Durch Reihung der Pfeiler mit zum Teil wechselnden Bogenformen wurden verschiedenartige Perspektiven geschaffen; die arabische Stützenmoschee erzeugt primär den Eindruck der horizontalen Ausdehnung; ihr Licht bezieht sie vom Hof. In Córdoba wurde die Omaijadenmoschee im 9. und 10. Jahrhundert dreimal erweitert. Bei der Moschee von Tinmal (Marokko) steht das Minarett über dem Mihrab (vollendet 1154).Im Palastbau wurde der Palast der Siriden in Asir grundlegend; er zeigt viele Züge des Omaijadenpalasts von Mschatta und des abbasidischen von Uchaidir. Dazu kamen in Kalat Beni Hammad, wo die Prinzipien der rechteckigen Höfe, der transversalen Hallen, des auskragenden Empfangssaals und der asymmetrischen Gruppierung symmetrischer Gebäudeteile weiterentwickelt wurden, dekorative Neuerungen, die in der Alhambra sowie in den Medresen von Fès Vollendung erfuhren. Der Dekor merinidischer und nasridischer Bauten bildet Höhepunkte atektonischer geometrischer Ornamentik (Arabesken) in Verbindung mit Schriftfriesen. Eine große Rolle spielte der Festungsbau (Kasba). - Zentren maurischer Baukunst sind: Fès, Marrakesch, Rabat, Meknès, Tinmal, Taza; Tlemcen, Algier; Tunis; Granada, Málaga, Almería, Sevilla.In der Kleinkunst ragen die großen Alhambravasen in Fayencetechnik mit Lüsterdekor heraus. Die Lüsterfayence (Zentrum Málaga), die Alicatados und die Azulejos, Filigrandurchbruchtechnik von Metallflächen, Waffenschmiedekunst (damaszierte Toledoklingen, Boabdilschwerter, Ohrendolche), Lederstickerei, Seidentücher und Goldbrokate waren berühmt. Koranhandschriften wurden mit der geschwungenen Maghrebischrift versehen. Auch Plastik, besonders Bronzegüsse (Löwenbrunnen in der Alhambra), sowie Knüpfteppiche sind bezeugt. (islamische Kunst)C. Ewert: Spanisch-islam. Systeme sich kreuzender Bögen, 5 Tle. (1968-80);I. u. A. von der Ropp: Andalusien. Spaniens maur. Süden (1985).
Universal-Lexikon. 2012.